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Donnerstag, 23. November 2017

Gastkommentar zum Polly-Preis für politische Lyik

Es sollte meiner Meinung nach auch mal andere Blickwinkel geben als nur den des Bloggers himself. Deshalb kam mir die Idee des Gastkommentars (nicht gänzlich originell, das gibt´s auch bei anderen Bloggern schon). Besonders reizvoll finde ich Beiträge von Kolleginnen und Kollegen, die andere Teile der Kulturszene kennen lernen als ich.
Der Stuttgarter Autor Wolfgang Haenle (http://www.wolfgang-haenle.de/kuenstler-paare) war als Finalist zur Verleihung des Polly-Preises für politische Lyrik nach Berlin eingeladen. Hier seine Bewertung. Zur Information darüber, worum es da theoretisch geht, möge der folgende Link dienen: http://www.pollypreis.de/

Vergabe des Polly-Preises in Berlin


Um es gleich vorweg zu nehmen, ich habe keinen Preis gewonnen, aber das spielt für meine persönliche Bewertung keine Rolle, es sind meine Eindrücke.
Eigentlich waren es schöne Rahmenbedingungen, das Lettrétage am Mehringdamm hat seine Heimat in einem typisch Berliner Hinterhofhaus und ist gut ebenerdig zu erreichen, ein schöner heller Raum. Während der Lesung wurde ein wenig Licht von einer sich nicht drehenden Discokugel abgestrahlt, so dass kleine Lichtpunkte zarte Akzentpunkte setzten und es gab eine Lautsprecheranlage, die sich wohltuend von den üblichen Beschallungen abhob. Note eins für das Lettrétage würde ich vergeben.
Acht von fünfzehn Autoren waren angereist, zwei aus Österreich, eine Schweizerin aus London und lediglich ein Autor aus Berlin. Gelesen wurde in alphabetischer Reihenfolge, mit dem Eintritt erhielten die Zuschauer eine Stimmkarte.
Die Texte von allen Autoren waren bekannt, weil die Anthologie bereits Anfang Oktober erschien, insofern waren keine Überraschungen zu erwarten. Die kam allerdings vonseiten des Stifters und Moderators. Er sprach zuerst ein paar einleitende Worte zu dem Wettbewerb und den Gedichten allgemeiner Art, das fand ich in Ordnung. Als er zu jedem Autor aber nichts über dessen Werdegang sagte, sondern die Texte kommentierte, war ich verblüfft, nahezu sprachlos. Das scheint mir für einen Wettbewerb in dem das Publikum abstimmen darf, nicht nur unprofessionell sondern auch unfair.
Als dann noch nahezu jeder Autor seine Texte erklärte in der Art: „Ich dachte mir folgendes bei meinem Gedicht“ oder „als nächstes hören sie ein Sonett“ wurde ich noch einsamer. Der Höhepunkt der Moderation war aber sinngemäß die Aussage des Moderators: „Wenn Sie mich fragen, dann würde ich dem nächsten Gedicht meine Stimme geben, weil es die beste Idee hatte“. Ich wäre am liebsten aufgestanden und gegangen , blieb aber aus Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen.
Und so kam es wie es herbeigeredet wurde: Gewonnen hat der Autor, dessen Gedichte Pamphleten am nächsten kamen, ein Zuschauer sagte mir später das wäre schon populistisch gewesen. Zitat: „mit dem Geheul der ewigen Schuld und der Unverschämtheit nicht  zahlen zu wollen“ (bezieht sich auf Deutschland). Ich möchte das nicht kommentieren. Ich habe eine andere Auffassung von Lyrik, ein wenig mehr „show don´t tell“ hätte vielen Gedichten gut getan.
Hinterher habe ich mich gefragt, was das für eine Veranstaltung war. Eine Abstimmung wie bei Poetry Slam Wettbewerben ohne Slam, ich weiß es nicht. Schade für das Thema Europa und schade für die politische Lyrik. Mit einem Holzhammer auf die politische Lyrik und auf Europa zu hauen, das haben beide wahrlich nicht verdient.
Ich ärgere mich nicht über den verlorenen Preis, sondern über die Methode, wie er vergeben wurde. Mein Urteil wäre im Falle eines Gewinns nicht anders ausgefallen, sicher hätte ich ein noch schlechteres Gefühl mit nach Hause geschleppt.
Nachtrag: die Vorabjury bestand nach Aussage des Stifters aus ihm selbst und Joachim Sartorius. Eine Jury für die Vergabe hat man aus finanziellen Gründen nicht gefunden.

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