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Donnerstag, 24. August 2017


Antonio Ortuño: Madrid, Mexiko. Roman. Verlag Antje Kunstmann, München, 224 S., 20 €

Mit "Die Verbrannten" hat Antonio Ortuño einen knallharten Thriller über das organisierte Verbrechen an Flüchtlingen in Mexiko geschrieben. Jetzt folgt in der gleichen, schonungslosen Sprache ein Roman über die Flucht eines Mannes namens Yago nach dem verlorenen spanischen Bürgerkrieg nach Mexiko - und die Flucht seines Enkels Omar vor der Mafia aus Mexico nach Madrid. Die Idee hat was, aber die Durchführung ist leider unnötig kompliziert geraten. Der Reihe nach:
1923 konkurrieren die jungen Anarchisten Yago Almansa und sein Freund Benjamín um die Liebe der schönen María. Im Spanischen Bürgerkrieg kämpft Yago dann bei den Anarchisten, Benjamín aber bei der Kommunisten. So werden sie Todfeinde. Beide fliehen gegen Ende des Bürgerkrieges nach Mexiko - Benjamín aber mit dem gestohlenen Goldschatz seiner Kampfgruppe. Entsprechend schlechter geht es María und Yago, die auch in Mexiko weiter enge Verbindungen zu den dort jedoch völlig korrupten Gewerkschaften pflegen.
1997 hat Yagos Enkel Omar ein Verhältnis mit seiner wesentlich älteren Chefin Catalina. Die erfolgreiche Antiquitätenhändlerin ist mit Mariachito liiert, dem mächtigen Boss der Eisenbahnergewerkschaft, und verdient sich eine goldene Nase mit dieser Connection. Als die zwei in flagranti erwischt werden, endet das für Mariachito und Catalina tödlich, doch Omar kann mit einem Haufen Geld entkommen. Auf der Flucht vor der (unfähigen) Polizei und dem brutalen Handlanger Mariachitos landet er schließlich mit Frau und Kindern in Madrid.
Beide Handlungsstränge zeigen die Verwicklung vieler "normaler" Leute ins organisierte Verbrechen - sowohl in Spanien als auch in Mexiko. Dass die Kommunisten eine wesentliche Mitschuld am Sieg Francos hatten, weil sie ihre anarchistischen und sozialistischen Verbündeten auf Betreiben Moskaus massenhaft liquidiert und verraten haben, ist eine unbequeme historische Tatsache. Ebenso eng und bedrückend ist die Verstrickung vieler Mexikaner in ekelhaften Rassismus ("Sie hassen uns dafür, dass wir dieses Land kolonisiert haben, wollen aber, dass wir ihre Töchter heiraten") und die üble Mischung aus allgegenwärtiger Korruption und Drogenmafia. So gut wie jeder hat irgendwo die Pfoten im Dreck oder lässt sich bumsen, um Vorteile zu haben.
Das ist ebenfalls typisch für diesen Autor, der 2010 als einer der besten seines Landes geehrt wurde, obwohl er mit 41 Jahren noch recht jung für die Branche ist: Sein Personal ist alles andere als nett. Er beschreibt Menschen, die halt so sind, wie sie sind - und so reden, wie die Leute nun mal reden. Das ist oft alles andere als schön zu lesen, aber kreuzehrlich.
Schade nur, dass die zwei gespiegelten Handlungsstränge so unordentich in zeitlich gegenläufigen Kapiteln einander folgen. Auf "Guadajara, 1997" folgt "Ein Strand von Veracruz, 1946", danach wieder Guadajara 1997 und dann plötzlich "Madrid, 1923" - und so weiter. Das stiftet eine unnötige Verwirrung (schon weil man dadurch die Figuren erst spät wirklich kennen lernt), die man anders hätte auflösen müssen.

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