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Sonntag, 16. Juli 2017

"Maometto II" - große neapolitanische Oper von Rossini in Bad Wildbad

Zuschauer, Orchester und Ensemble auf engstem Raum: Wildbad!
"Maometto II" - eine tragische Oper von Gioacchino Rossini über die Eroberung des venezianischen Negroponte durch den osmanischen Eroberer Mehmed II in Bad Wildbad war gestern in Bad Wildbad ein musikalischer Genuss der Extraklasse. Trotz der grässlichen Libretto-Verse von Cesare Della Valle zwischen Hurrapatriotismus, einer zeittypisch martialischen Ehrenkäserei und romantischer Nabelschau um Liebe und Verrat ("Zu den Waffen, Vaterland, schon hört man die die arabischen Trompeten"- oder "Schmerz lass nach"-Getue) ist die Komposition aus dem Jahr 1820 voll von herrlichen Duetten, Terzetten und Quartetten, oft eingebunden in große Chornummern. In Bad Wildbad, wo einst Rossini einmal kurte und eine Oper zu Ende schrieb, ehrt man den Komponisten seit über 30 Jahren mit einem kleinen, aber feinen Festival.
Das Klischee vom "Kampf der Kulturen" kommt bei "Maometo II" mit wenigen Hauptfiguren aus: Stadthalter Paolo Erisso, überzeugend gespielt und grandios gesungen vom Heldentenor Merto Sungu, steht für einen Mann, dem der Sieg über alles geht, selbst über seine Tochter. Diese Anna (Elisa Balbo, ein glockenreiner Sopran und eine wunderbare Schauspielerin) soll zwangsverheirat werden mit dem General Calbo, eine phantastisch gesungene Hosenrolle von Victoria Yarovaya. Anna hat sich aber dummerweise in einen Unbekannten verliebt, von dem sich herausstellt, dass es der feindliche Feldherr Mehmet II. verkleidet auf Spähtrupp war (souverän, aber mit den weithin üblichen Schlieren im Übergang zwischen Höhen und Tiefen gesungen von dem Bass Mirco Palazzi). Auf die Täuschung ihrer Gefühle reagiert Anna mit dem Verrat an Mehmed, der ihr zum Beweis seiner wahren Liebe seinen Siegelring schenkt ("Ich liebe, doch ich folge meinem Vater und der Heimat"). Prompt gibt sie den an den Vater weiter, der mit General Calbo gefangen war, aber mit dem Ring entkommen und einen vernichtenden Gegenangriff organisieren kann. Das einzige Erbe ihres Vaters für Anna ist ein Dolch, den sie sich am Ende ins Herz rammt, als Mehmed sie wutentbrannt wegen ihrer patriotischen Treulosigkeit bedroht.
Überhaupt: Natürlich werden die osmanischen Krieger als grausam und gnadenlos dargestellt, Mehmed II als potenzieller Vergewaltiger ("Wirst Du nicht mein, so fürchte meinen Zorn"). Blankes Entsetzen herrscht bei allen am Schluss ob so viel Unvernunft, Hass, Nationalismus und Machogehabe auf beiden Seiten, aber ein versöhnliches Ende ist dies nicht. Antonio Fogliani leitete mit Bravour die Cemerata Bach und die Virtuosi Brunenses. Chor und Orchester boten wieder Spielfreude pur und waren Garanten der Stimmungen, die Regisseur und Festival-Intendant Jochen Schönleber mit all ihren immamanten Widersprüchen und Brüchen in der ehemaligen Trinkhalle des Schwarzwälder Kurstädtchens inszeniert hat: einfach, aber wirksam.
Die einzige undankbare Rolle erwischte Patrick Kabongo Mubenga, oder besser: zwei Rollen. Der Stipendiat der Akademie BelCanto musste ohne Arie den venezianischen General Condulmiero und Mehmeds Vertrauten Selimo darstellen. Er hätte wohl stimmlich mehr zu bieten gehabt als ein paar Rezitative und einen Part in einigen Terzetten. Aber auch das ist eben Belcanto-Oper. Den letzten beißen die Hunde. Vielleicht wäre eine volle Rolle für den Neuling auch noch zu viel gewesen. Immerhin sangen die Hauptfiguren gut drei Stunden und hatten kaum Pausen.


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