SWR2 Buchkritik über Andrew
Feinstein:
„Waffenhandel.
Das globale Geschäft mit dem Tod. Das globale Geschäft mit dem Tod“,
Hoffmann und Campe,
Hamburg, 847 Seiten, 29,99
€.
In
diesem Jahr 2012 wird ein globales Waffenhandelsabkommen
verhandelt. So weit die gute Nachricht. Im 20. Jahrhundert sind über
230 Millionen Menschen in Kriegen gestorben, die es ohne Waffenhandel
nicht oder nicht in dieser Härte gegeben hätte. So weit die
schlechte Nachricht in Andrew Feinsteins Buch „Waffenhandel.
Das globale Geschäft mit dem Tod“. Und es könnte noch schlimmer
werden. Feinsteins Bilanz ist realistisch: Vermutlich werden weder
die USA, Russland und China noch der Iran, Israel oder Nordkorea
das Abkommen gegen den Waffenhandel unterzeichnen. Der erste Anlauf ist jedenfalls soeben gescheitert.
Denn
es geht um politische Interessen und Arbeitsplätze, um Korruption
und um Transparenz in einem Geschäft, das Staaten und Firmen mit dem
Hinweis auf die nationale Sicherheit geheim halten. Hier messen alle
mit zweierlei Maß, aber genau das muss aufhören, schreibt
Feinstein:
"Ein
grundsätzliches Bekenntnis zu Menschenrechten, zu Gleichheit und
Gerechtigkeit sowie zu der Überzeugung, dass es besser ist,
einen hungrigen Magen zu füllen als ein Leben durch die Produktion
einer weiteren tödlichen Waffe zu vernichten, setzt eines
voraus: den Entschluss, dieses Gewerbe nicht weitermachen zu lassen
wie bisher, in dieser weitgehend unregulierten, unkontrollierten
Form."
Im
April wurde der russische Waffenhändler Viktor But in den USA zu 25
Jahren Haft verurteilt. Er hatte unter anderem Charles Taylor
beliefert, den der internationale Gerichtshof für
Menschenrechte in Den Haag kürzlich wegen seiner Massaker im
Bürgerkrieg von Sierra Leone verurteilt hat. Buts Spezialität: im
Kongo wie in Afghanistan Waffen für beide Bürgerkriegsparteien
zu besorgen. Erst die CIA konnte diesen Mann verhaften. Und die
Regierung Putin kritisierte das Urteil als politisch und
verlogen.
Tatsächlich
flog But mehrfach auch für die US-Army Waffen, zuletzt nach Bagdad,
als der Flughafen noch nicht sicher war und niemand dort landen
wollte. Die Armeeführung bat sogar um Aufschub, als Buts Konten
bereits gesperrt waren. Insofern ist der Fall typisch für viele
andere. Feinstein dokumentiert sorgfältig, warum Waffenhändler und
ihre korrupten Partner bei Rüstungskonzernen und Regierungen bisher
fast immer straflos blieben. Der politische Wille fehlt. Zitat:
"Weil
sie sich mit Geheimdiensten oder anderen halbamtlichen Stellen
verbündet haben. Im schlimmsten Fall sind Waffenschieber integraler
Bestandteil des organisierten Verbrechens, das auch politisch
Handelnde mit einbezieht. Andere wiederum haben mächtigen
Politikern oder Beamten einen Gefallen getan, die im Gegenzug nicht
mehr so genau hinsehen und natürlich auch kein Interesse an der
Festnahme und Strafverfolgung haben, denn dies würde ja auch sie in
Schwierigkeiten bringen."
Auch
in Deutschland stellt zum Beispiel das Kriegswaffenkontrollgesetz
den Export von Waffen in Krisengebiete unter Strafe. Aber es
kann relativ leicht umgangen werden, weil es im Widerspruch zu
internationalen Abkommen steht und wegen der erwähnten
Geheimhaltung schwer zu kontrollieren ist. Wenn Angela Merkel
sich für den Verkauf von 200 Leopard-Panzern an Saudiarabien
einsetzt oder ein atomwaffenfähiges U-Boot an Israel freigibt, ist
sie dann eine Waffenhändlerin? Und verstößt sie gegen das
gesetzliche Verbot des Waffenexports in Krisengebiete? Der
Kosovo-Krieg in Serbien 1998, der Luftkrieg gegen das
Ghaddafi-Regime im Jahr 2011 und die Bewaffnung syrischer
Rebellen gegen Assad zeigen, wie heikel das Thema ist.
Feinstein
hat ein hervorragend recherchiertes Buch geschrieben, das bisher
vollständigste über den globalen Waffenhandel. Es enthält
sogar Steckbriefe der wichtigsten Drahtzieher, denen das Geschäft
mit dem Tod zum Teil Milliarden eingebracht hat. Deren Netzwerk
ist zu groß und Feinsteins Buch zu dick, um alle wichtigen Fäden
hier auch nur zu erwähnen.
Andrew
Feinstein war bis 2001 ANC-Abgeordneter in Südafrika und trat
zurück, weil er nicht ertragen konnte, wie korrupte
Parteifreunde Hunderte von Millionen für eine untaugliche Luftwaffe
ausgaben, während gleichzeitig Geld fehlte, um AIDS zu bekämpfen.
Er wurde Journalist und kritisiert auch Israel als Weltmarktführer
für militärische Drohnen und Überwachungstechnik.
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