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Freitag, 10. August 2012

Kampf gegen die Hydra Waffenlobby

SWR2 Buchkritik über Andrew Feinstein:
Waffenhandel. Das globale Geschäft mit dem Tod. Das globale Ge­schäft mit dem Tod“, Hoffmann und Campe, Hamburg, 847 Seiten, 29,99 €.

In diesem Jahr 2012 wird ein globales Waffenhandels­abkommen verhandelt. So weit die gute Nachricht. Im 20. Jahrhundert sind über 230 Millionen Menschen in Kriegen gestorben, die es ohne Waffenhandel nicht oder nicht in dieser Härte gegeben hätte. So weit die schlechte Nachricht in Andrew Feinsteins Buch „Waf­fenhandel. Das globale Geschäft mit dem Tod“. Und es könnte noch schlimmer werden. Feinsteins Bilanz ist realistisch: Vermutlich werden weder die USA, Russland und China noch der Iran, Israel oder Nord­korea das Abkommen gegen den Waffenhandel unter­zeichnen. Der erste Anlauf ist jedenfalls soeben gescheitert.
Denn es geht um politische Interessen und Arbeitsplätze, um Korruption und um Transparenz in einem Geschäft, das Staaten und Firmen mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit geheim halten. Hier messen alle mit zweierlei Maß, aber genau das muss aufhören, schreibt Feinstein:

"Ein grundsätzliches Bekenntnis zu Menschenrechten, zu Gleichheit und Gerechtigkeit sowie zu der Überzeu­gung, dass es besser ist, einen hungrigen Magen zu füllen als ein Leben durch die Produktion einer weite­ren tödlichen Waffe zu vernichten, setzt eines voraus: den Entschluss, dieses Gewerbe nicht weitermachen zu lassen wie bisher, in dieser weitgehend unregulier­ten, unkontrollierten Form."

Im April wurde der russische Waffenhändler Viktor But in den USA zu 25 Jahren Haft verurteilt. Er hatte unter anderem Charles Taylor beliefert, den der internatio­nale Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag kürzlich wegen seiner Massaker im Bürgerkrieg von Sierra Leone verurteilt hat. Buts Spezialität: im Kongo wie in Afghanistan Waffen für beide Bürgerkriegspart­eien zu besorgen. Erst die CIA konnte diesen Mann verhaften. Und die Regierung Putin kritisierte das Ur­teil als politisch und verlogen.
Tatsächlich flog But mehrfach auch für die US-Army Waffen, zuletzt nach Bagdad, als der Flughafen noch nicht sicher war und niemand dort landen wollte. Die Armeeführung bat sogar um Aufschub, als Buts Kon­ten bereits gesperrt waren. Insofern ist der Fall typisch für viele andere. Feinstein dokumentiert sorgfältig, warum Waffenhändler und ihre korrupten Partner bei Rüstungskonzernen und Regierungen bisher fast im­mer straflos blieben. Der politische Wille fehlt. Zitat:

"Weil sie sich mit Geheimdiensten oder anderen halb­amtlichen Stellen verbündet haben. Im schlimmsten Fall sind Waffenschieber integraler Bestandteil des or­ganisierten Verbrechens, das auch politisch Handeln­de mit einbezieht. Andere wiederum haben mächtigen Politikern oder Beamten einen Gefallen getan, die im Gegenzug nicht mehr so genau hinsehen und na­türlich auch kein Interesse an der Festnahme und Strafverfolgung haben, denn dies würde ja auch sie in Schwierigkeiten bringen."

Auch in Deutschland stellt zum Beispiel das Kriegs­waffenkontrollgesetz den Export von Waffen in Krisen­gebiete unter Strafe. Aber es kann relativ leicht um­gangen werden, weil es im Widerspruch zu internatio­nalen Abkommen steht und wegen der erwähnten Ge­heimhaltung schwer zu kontrollieren ist. Wenn Angela Merkel sich für den Verkauf von 200 Leopard-Panzern an Saudiarabien einsetzt oder ein atomwaffenfähiges U-Boot an Israel freigibt, ist sie dann eine Waffenhänd­lerin? Und verstößt sie gegen das gesetzliche Verbot des Waffenexports in Krisengebiete? Der Kosovo-Krieg in Serbien 1998, der Luftkrieg gegen das Ghad­dafi-Regime im Jahr 2011 und die Bewaffnung syri­scher Rebellen gegen Assad zeigen, wie heikel das Thema ist.
Feinstein hat ein hervorragend recherchiertes Buch geschrieben, das bisher vollständigste über den globa­len Waffenhandel. Es enthält sogar Steckbriefe der wichtigsten Drahtzieher, denen das Geschäft mit dem Tod zum Teil Milliarden eingebracht hat. Deren Netz­werk ist zu groß und Feinsteins Buch zu dick, um alle wichtigen Fäden hier auch nur zu erwähnen.
Andrew Feinstein war bis 2001 ANC-Abgeordneter in Südafrika und trat zurück, weil er nicht ertragen konn­te, wie korrupte Parteifreunde Hunderte von Millionen für eine untaugliche Luftwaffe ausgaben, während gleichzeitig Geld fehlte, um AIDS zu bekämpfen. Er wurde Journalist und kritisiert auch Israel als Welt­marktführer für militärische Drohnen und Überwa­chungstechnik.


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