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Sonntag, 22. Mai 2011

Meisterschaft im Doppelpack: Janine Jansen und das London Philharmonia Orchestra mit Lorin Maazel



 Am 20. Mai gastierten Janine Jansen (Violine) und das London Philharminia Orchestra in der Stuttgarter Liederhalle. Das "Meisterkonzert" der Südwestdeutschen Konzertagentur Russ bot wahre Meisterschaft im Doppelpack: Die musikalische Leitung hatte Lorin Maazel; damit stellte sich der Amerikaner, der in der nächsten Spielzeit die Leitung der Münchner Symphoniker übernimmt, schon einmal in Deutschland vor. Und gab eine Visitenkarte ab, die besser nicht sein könnte.

Auf dem Programm stand zunächst das Violinkonzert e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy, bei dem die niederländische Virtuosin vom ersten Ton an den Raum beherrschte: stilsicher, leidenschaftlich und handwerklich perfekt, aber auch mit viel Gefühl für langsame Passagen und fürs Piano.

Unglaublich aber, wie eine Geige es schafft, mit ihrem einzelnen Ton durchzudringen und sich auch im Fortissiumo gegen ein ganzes Orchester zu behaupten. Schon dieses musikalische Erlebnis hätte für einen Abend ausgereicht. In der Pause signierte die Künstlerin, die schon seit Jahren mit vielen großen Orchestern und Dirigenten arbeitet, CDs - und notfalls auch Programmhefte. Da war zu sehen, dass sie nicht die Diva spielt,sondern die Begegnung mit ihrem Publikum als Teil ihrer Arbeit begreift und auch genießt.

Das ist beileibe nicht immer so und deshalb erwähnenswert. Dass erfolgreiche Musiker erstens auf dem Teppich bleiben und zweitens nicht der Versuchung erliegen, das Publikum durch lieblos hingeschluderte Konzerte zu vergrätzen (wie immer öfter leider der so begabte Lang Lang) oder auch Dinge zu tun, die dem eigenen Stil und der eigenen Bagabung schaden, macht sie besonders sympathisch.

Mendelssohn schrieb sein Violinkozert für den Virtuosen Ferdinand David  - und entsprechend groß ist die Herausforderung für jeden und jede, die sich an dieses Stück wagt. An diesem Abend gelang Romantik, weil sie spielerisch stattfand. Die beteiligten Musiker hatten keine "fremde" Interpretation zu leisten, sondern fühlten mit dem Komponisten - und das konnte man hören.

Was aber soll ich sagen zum zweiten Teil dieses Abends? Über Mahlers Sinfonien ist in diesem Jubiläumsjahr schon viel geschrieben worden. Über die 5. Sinfonie in cis-Moll von Gustav steht im Programmheft, sie habe eine neue Epoche im Schaffen des Komponisten eingeleitet - als sein erstes Werk der "absoluten Musik"., Sie sei "ein Werk der Kraft, des gesunden Selbstgefühls, ... leidenschaftlich,wild, pathetisch", schrieb der Mahler-Kenner und Dirigent Bruno Walter. Alles richtig. Aber ich finde, man muss auch mal den Humor herausstellen, der hier zu hören ist.

Ich habe vielleicht von der österreichischen Crossover-Gruppe Franui bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen gelernt, Mahler neu zu hören und anders, als es sein Wiener Ringstraßen-Größenwahn oder auch das alpine Landschaftspathos unterstellen. Obwohl die 5. Sinfonie mit einem fast sizilianiisch wirkenden Trauermarsch pompös beginnt und so alle Mahler-Klischees zu erfüllen scheint, geht das Ganze bald in eine andere Richtung. Dann dreht sich der Klangfluss mehrfach, mäandert und führt in jedem Satz erst am Ende durch ein langes Crescendo zum "typischen" Fortissimo.

Feinnervig folgt Dirigent Lorin Maazel den rhythmischen Sprüngen der Komposition, die Traditionen fast immer nur aufgreift, um sie (Achtung: Komik!) alsbald spielerisch zu variieren bis hin zur Verballhornung. Mit einem Schlag wird klar, warum Wagner auf diese Konkurrenz nicht gut zu sprechen war und sich die Nazis beeilten, diesen Komponisten zu ächten, der ihr "Heiligstes" zu verspotten wagte.
Ländler, Polka, Märsche, Walzer, ungarische oder balkanische Tänze und Volksweisen werden nicht nur ständig in Melodien zitiert, sondern auch instrumentiert. Da klingt es nach Kirchweifest und Bauernhochzeit, da hört man eine "Banda" wie oft noch in ablegenenen Alpendörfern oder in Südeuropa. Das werden die Blechbläser nicht selten jazzig mit Dämpfern versehen. Wer das mit einem Wagner-Motiv macht (oder mit einer Fanfare, die von Wagner sein könnte), verblecheimert dessen Pathos zu einer quäkenden Parodie. Und das soll ungebrochenes Pathos sein? - Mitnichten! Es ist höchst gebrochen, und das Orchester hatte seine virtuose Spielfreude daran. Im Mahler-Jahr wünscht man sich mehr davon.

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