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Freitag, 16. April 2010

40 Jahre Rauriser Literaturtage

Thomas Klupp bekam den Raurisert Literaturpreis 2010 für das beste Prosadebüt des Jahres 1009, seinen Roman "Paradieso". Für SWR2 und meinen Podcast (vielleicht aber auch eines Tages einen Blog oder eine Website mit integriertem Podcast bzw. Audio-Download) sprach ich mit dem sympathischen 32jährigen Auto aus Erlangen, der bei Hans Josef Ortheil in Hildesheim praktische Literatur studiert hat.
Trotzdem möchte er auf keinen Fall ein Autor aus der Retorte sein, nicht abheben und mit seiner wachen Beobachtungsgabe wachsen und erwachsen werden. Bislang hat er mit dem Tramper Alex Böhm einen typischen Vertreter der Generation zwischen 25 und 30 ein böses, rasantes Roadmovie erdacht, das zwar Witz hat, aber den "Helden" ebenso wenig sympathisch zeigt wie dessen Opfer. Ein Hochstapler und Mitläufer, ein Blender und Schwätzer wird da vorgestellt, wie er zynischer kaum sein könnte. Aber das Buch ist keine Autobiographie. Es ist das Ergebnis scharfer Beobachung und großer Disziplin beim Abarbeiten eines dramaturgisch ausgefeilten Plans. Nicht zum Plan, weil so etwas niemals planbar ist, gehörten der Nicolas-Born-Förderpreis und der Rauriser Literaturpreis. Klupp nimmt beide Anerkennungen als Unterstützung seines Talents - nicht mehr und nicht weniger.

Der Ortsteil Bucheben liegt 9 km oberhalb des Hauptortes im Rauriser Tal, ein magischer Ort in ca. 1200 m Höhe mit einer Barockkirche, einem alten Schulhaus (im Pfarrhaus wohnen Mieter, einen Pfarrer gibt es nicht mehr), einem Gasthaus und einem alten Schulhaus, links angeschnitten. Hier beherrschrt der Sonnblick des Leben der Menschen - das Wetter und die Jahreszeiten, die Opotik (Bildmitte) und wohl auch die meisten Biographien. Plötzlich kann man verstehen, wieso der Mongolwe Galsan Tschinag sich hier sofort heimisch fühlte. Das Licht, das Klima, aber auch die "Atmosphäre" um die Alte Schule von Bucheben, wo während der Literaturtage auch Dichterlesungen oder auch Orgelkonzerte stattfinden, hat etwas von einem tibetischen Potala mit alpiner Architektur. Christliche Symbolik öffnet sich einer schamanistischen Unterströmung, ob man will oder nicht.

Arno Camenisch aus der Schweiz (hinten rechts) und der Salzburger Autor Bodo Hell (links neben ihm mit schwarzer Kappe) lasen in der Alten Schule von Bucheben aus ihren Büchern vor. Hell lebt in Salzburg, bearbeitet aber während der Sommersaison 11 (!) Hochalmen im Salzburger Land. Camenisch las aus seinen Almgeschichte zweisprachig auf Deutsch und Rätoromanisch: Eine Prosa, die poltert wie Bergschuhe und schmatzt wie der Schlamm in den Pferchen, eine ebenso musikalische wie gewalttätige, witzige und bedrohliche Sprache als Spiegel eines Lebens mit und gegen reine bedrohte und bedrohliche Natur. Landleben ist keine Idylle: Hier zeigt sich das einmal mehr, obwohl es für verzauberte Aufgenblicke / Kameraklicke so wirken mochte.

Diese Zuhörerin fand keinen Platz mehr in der ehemaligen Schulklasse und harrte eine ganze Stunde lang auf der harten Holztreppe aus, wo sie kaum etwas sehen und nur wenig hören konnte.
Nach der Lesung drängte alles diese schmale knarrende Treppe hinauf, denn unterm Dach hatten die Gastgeber Essen und Trinken bereit gestellt. Schade, dass ich mit dem Auto gekommen war: Eine ganze Batterie klarer Schnäpse von Buchebener Bauern hätte sich gefreut, wenn ich sie hätte probieren können.

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