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Freitag, 20. März 2009

Björn Bicker: illegal. Das Buch der Sprachlosen

Björn Bicker: illegal. Verlag Antje Kunstmann, München, 126 S., 14.90 |€.

Der Autor ist ein Dramaturg, das merkt man beim Lesen. Er hat - eigentlich dokumentarisch - Stimmen von illegalen Bewohnern Deutschlands gesammelt und zu einem eindringlichen Buch zusammen gestellt. Man könnte das Rollenprosa nennen - Texte aus dem Blickwinkel Betroffener: schonungslos, hart, manchmal kaum zitierfähig. Einer kommt aus Kurdistan und wurde gefoltert, aber die deutschen Behörden wollten dafür eine Quittung - sonst keine Anerkennung als Ayslbewerber. Da könnte ja jeder kommen. Also jobbt er schwarz, studiert und lebt in einem 6-Quadratmeter-Loch ohne Fenster. Eine andere kommt aus Ecuador, war dort Sekretärin, macht hier die Putzfrau und Babysitterin und schickt das Geld an die ahnungslose Familie. Einer kommt aus der Ukraine und hat studiert. Er ist hier, sagt er ohne Selbstmitleid (das hasst er), weil es zu Hause nichts zu holen gibt, so einfach ist das für manche. Zu Hause müsste er einen Monat arbeiten, um zweihundert Euro zu verdienen - wenn er überhaupt Arbeit fände:

wozu habe ich drei sprachen gelernt. ich habe eine band gegründet. mit juri meinem freund. wir proben. zweimal die woche. ich lese bücher. ich arbeite. das geht ganz gut. immerhin. ich lebe in deutschland. in münchen. darauf bin ich stolz. musst halt ein bisschen aufpassen. die denken ihre polizei ist gut. das ist lächerlich. die polizei ist beschissen. diese polizei ist am arsch. verschlafen. das sind lauter ängstliche familienväter.

Da kann man nur froh sei, dass der niemandem Böses will und sogar Mitleid hat mit diesen Familienvätern. Illusionslos erzählt der Ukrainer von den Deutschen, die ihm Arbeit geben, und von der polnischen Konkurrenz:

die geben dir arbeit weil du billig bist und keine fragen stellst. das ist keine halbwelt. das sind ganz normale leute. die haben kohle weil sie wissen wo sie sparen können. für mich ist das gut. aber es kommen immer mehr. irgendwann wird´s eng. und gefährlich. jetzt sind diese blöden polen in der eu und machen die grenzen dicht. trotzdem. es kommen immer mehr.

Solidarität? Fehlanzeige, zumindest nach außen hin. Innerlich ist dieser Ukrainer dann doch ein Mann, der die Nöte seiner Landsfrauen beschreibt, die in München auf den Strich gehen und in Lviv heiraten, der um seine Freundin mit dem kaputten Gebiss trauert und einen Freund hat, der mit dem Trauma aus der russischen Armee, aus der er desertiert ist, einfach nicht klarkommt. Deutschland als Dschungel, das ist längst die Realität:

ich spreche vier sprachen ziemlich perfekt. deutsch englisch russisch ukrainisch. die arbeit die ich hier mache ist nicht so schlecht. umzüge. garten. ab und zu ein bisschen dolmetschen. manchmal helfe ich ein paar autos zu vermitteln. das sind geldmäßig die besten jobs. aber da musst du aufpassen. das sind üble typen die das machen.

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