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Freitag, 3. August 2007

Eine Rose von Anna Netrebko


Weltstars der Oper in Baden-Baden


Am 31. Juli waren wir in Baden-Baden zu einer Gala im Festspielhaus mit Anna Netrebko, Elina Garanca, Ramón Vargas und Ludovic Tézier. Schade, dass Annas Bühnen- Traumpartner Rolando Villazón krankheitshalber absagen musste. Aber auch so war das Konzert ein Highlight der ganz besonderen Art. Nicht, dass der Tenor Vargas (mit dem sie schon in München zusammen auftrat) als Partner der Netrebko schwach gewesen wäre - im Gegenteil. Nicht, dass der französische Bariton Tézier nicht ein brillanter Sänger wäre - im Gegenteil. Aber wenn die beiden Frauen sangen, lief uns ein Schauer nach dem anderen den Rücken hinunter. Vor allem in den Duetten "Mira, o Norma" aus Vincenzo Bellini´s "Norma", "Viens, Mallika" aus "Lakme" von Leo Delibés und "O suave faniculla" aus Giacomo Puccini´s "La Bohème" waren diese beiden Stimmwunder eine zum Heulen schöne Ergänzung von Gegensätzen, die reizender, vollkommener kaum vorstellbar sind. Netrebko, die südrussische dunkle Schönheit mit mediterranem (oder Schwarzmeer-) Temperament, und Garanca, die blonde, kühle Schöne aus Riga im nördlichen Baltikum schlangen ihre Koloraturen umeinander, flirteten miteinander, mit den männlichen Partnern auf der Bühne, mit dem Publikum auf einmalige, unnachahmliche Weise. Die beiden allein waren das horrende Eintrittsgeld wert - und wurden dementsprechend mit stehenden Ovationen gefeiert. Keine ist der anderen vergleichbar, aber beide nehmen sich nicht das Geringste und sind perfekte Musen - nicht nur der Bühne, sondern wohl auch des Schreibtischs.

Neben dem steht nämlich jetzt im Regal eine in Wachsgel eingegossene rote Rose, die ich von Anna Netrebko bekam. Sie erzählt eine wunderbare Geschichte meiner Opernliebe, und eines Tages werde ich wohl auch ein Gedicht darüber schreiben und in diesem Blog stellen. Als Zugabe sang die Netrebko ziemlich unpassend "Meine Lippen, die küssen so heiß" von Franz Lehar, und tanzte dazu schwungvoll über die Bühne. Dazu schleuderte sie erst einmal schmissig ihre 2000-EURO-Stöckelschuhe von Prada von den Füßen- und einer davon flog im hohen Bogen über den Bühnenrand: mir, wirklich mir, in der ersten Reihe sitzend, vor die Füße. Ich hob ihn auf und warf ihn auf die Bühne zurück.
Meine Freunde sagten hinterher: Den hätte ich nicht wieder hergegeben. Aber ich bin nicht der Typ, der sich in so einer Situation den Schuh schnappt, für 2500 Leute und eine Batterie von Fernsehkameras sichtbar damit wedelt und der Diva bedeutet: "Komm her, lös ihn aus, z.B. mit einem Kuss!" - Was denken die sich denn? Man kann auch überreizen. Ich will ja nicht auf diese Weise im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, und außerdem bin ich ein Gentleman. Trotzdem hätte sie den Schuh nicht so ohne weiteres hergegeben, sagte die beste aller Ehefrauen, wie bei Ephraim Kishon. Hätte ich aber nicht, dann hätte ich auch die Rose wohl kaum bekommen. Die hat zwar nicht so viel gekostet, gehört aber mir.
Als die Netrebko nämlich dann anfing, immer von heißen Lippen und Küssen singend, mit diesem zauberhaften russischen Akzent ein wenig die Worte weich knödelnd, an einzelne Herren in der ersten Reihe Rosen zu verschenken, kam sie zu mir. "Siehst Du", sagte meine beste Ehefrau von allen, "hätte ich nicht diese Plätze gekauft, dafür eine Stunde am Telefon gehangen wie eine Klette, nichts wäre dann damit gewesen!" Und ich antwortete: "Siehst Du, hätte ich nicht den Schuh zurückgegeben, hätte sie sich nicht an mich erinnert, und nichts wäre dann mit der Rose gewesen!" - "Und auch nicht mit diesem tiefen, tiefen Blick, den sie dir zuwarf. Du hast da gestanden wie ein glücklicher Gymnasiast."
Meinetwegen. Erstens erinnere ich mich an keinen speziellen Blick, denn ich war vollauf damit beschäftigt, meine Rose aufzufangen, von der Anna den Stiel abgebrochen hatte; und Rosen sind ja so empfindlich. Und zweitens: Lieber ein glücklicher Gymnasiast als ein grämlicher Rentner, der zu viel Geld hat, an allem herummäkelt und von nichts eine Ahnung hat. So einen haben wir nämlich auch getroffen. Ich werde auch nichts von dem Gedanken an Verschwendung sagen, an die ich beim Kauf dieser Konzertkarten für Plätze in der ersten Reihe einen Augenblick dachte. Meine Erben können Annas Rose mal für viel Geld verhökern.

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