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Sonntag, 25. März 2018

Bachs Geburtstag - ein Fest

Die Degerlocher Kantorei in der Michaelskirche
Das Foto ist fünf Monate alt. Aber gestern beim Konzert der Stuttgarter Kantorei Degerloch zum 333. Geburtstag von Johann Sebastian Bach in der Michaelskirche war ich dabei und konnte nicht fotografieren. Auch keine Kritik schreiben, das wäre unfein. Aber sagen, dass ich glücklich bin, darf ich. Ich fand´s toll, was wir da gemacht haben: Choräle aus der Johannespassion und die kurze, aber für Amateure richtig schwere Kantate Nr. 23 "Du wahrer Gott..." mit dem Chorus "Aller Augen warten...". Darin sind drei lange Männer-Soli für Tenöre und Bässe (bis zu 23 Takte). Ich denke, wir haben uns achtbar geschlagen. Auch wenn meine Frau sagt, der Chor sei zu laut gewesen oder die Solistinnen und das Orchester zu leise, das Cembalo zu viel. Sie darf das sagen, weil sie nicht gesungen hat, aber heftig applaudiert. Die anderen auch, und es waren überraschend viele Zuhörer gekommen, mitten in einer ganzen Jubelwoche mit sieben Konzert. 333 ist eine Schnapszahl, und zu Ostern werde ich einen heben auf JSB - und auf uns!

Freitag, 23. März 2018

Krieg und Frieden beim Musikfest Stuttgart 2018

Das neue Programm ist da

Die Internationale Bachakademie hat im Stuttgarter Hospitalhof das Programm für ihr Musikfest Stuttgart 2018 vorgestellt. Ein nach zwei Aufführungen von Bachs h-Moll-Messe übernächtigter, aber zufriedender Akademieleiter Hans-Christoph Rademann und Chefdramaturg Henning Bey gaben schon mal einen Ausblick auf die Konzerte des kommenden Musikfestes und ihre Pläne.
Das Musikfest, das die Bachakademie jährlich veranstaltet, findet vom 25.8. bis 9.9.18 unter dem Motto »Krieg und Frieden« statt. Anlass dazu geben das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 und der Beginn des 30jährigen Krieges 1618. Damit ist das Festival, wie schon in den vergangenen Jahren, nicht nur historisch, sondern auch sehr politisch aktuell. An jetzt 16 Veranstaltungetagen verteilen sich u.a. rund 40 Konzerte und Diskussionsforen i
n einem durchkomponierten Programm auf unterschiedliche Auslegungen des Mottos.
Einzelkonzerte widmen sich innerhalb der Reihen »Sichten auf Bach« und »Unternehmen Musik« der Vielfalt aktuelloer Bach-Interpretationen mit Stars wie Dominique Horwitz und Spitzenensembles wie dem britischen Tenebrae Choir. Als kreative Brechung des Gewohnten präsentiert die experimentelle Clubschiene »BACH.LAB« zwei ungewöhnliche Programme, und moderierte Gespräche mit Gästen widmen sich im »Musikfest-Café« der Musikivermittlung. Vorträge im »Klangatelier« zeigen die musikalischen Domensionen eines Themas wie »Krieg und Frieden«.
In der zentralen Reihe »Sichten auf Bach« sind erstmals zwei Konzerte nicht in der Kirche sondern im Konzertsaal geplant, so zum Beispiel das Konzert der Gaechinger Cantorey unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann am 28.8. um 19 Uhr im Mozart-Saal der Stuttgarter Liederhalle. Mit Ton Koopman und Amsterdam Baroque Orchestra & Choir, dem Thomanerchor und dem Sächsischen Barockorchester unter der Leitung von Thomaskantor Gotthold Schwarz sind weitere prominente Bach-Interpreten aufgeboten.
Erstmals spielt das Orchester der Gaechinger Cantorey nur auf klassischen Originalinstrumenten und wird mit einem reinen Haydn-Programm aus der Zeit der französischen Revolutionskriege das Musikfest eröffnen: Das ist als nächster Schritt in der Entwicklung der hauseigenen Ensembles mit dem ehrgeizugen Plan, künftig ein Repertoire bis hin zu Mendelssohn auf Originalinstrumenten anbieten zu können. Unter dem Titel »Händel und der Friede von Utrecht 1713« schließt sich am 9.9. im Abschlusskonzert dann der thematische Kreis des Musikfests

Neu ist auch die Gestaltung des Programmheftes. Es kommt übersichtlicher daher und verzichtet auf die Verknüpfung des Festivals mit dem ganzjährigen Akademieprogramm. Zukunftsmusik, aber angenehme, klingt an in der Absicht Rademanns, andere große Veranstalter der Stadt wie die Symphoniker, das SWR Symphonieorchester, die Oper und das Stuttgarter Kammerorchester noch mehr ins Festival einzubeziehen.

Sonntag, 18. März 2018


Auftritt der inklusiven Band MuGroove beim Dankesfest der Caritas Stuttgart für ehrenamtliche Helfer gestern im großen Saal des Hospitalhofs. Natürlich gab´s nicht nur tolle Musik, sondern auch viele Informationen über die Arbeit der Helfer, ein Glas Sekt und ein Büffett mit Kaffee und Kuchen. Es waren mehrere hundert Ehrenamtliche gekommen. Aber insgesamt verstärkt sich mein Eindruck, dass viele Ehrenamtliche sich aus der Flüchtlingshilfe zurückziehen. Positiv ist die hervorragende und bekenntnis-übergreifende Zusammenarbeit der katholischen Caritas mit dem evangelischen Bildungszentum Hospitalhof. Die Caritas ist im Raum Stuttgart ein Großunternehmen mit mehr als 1600 fest angestellten und vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die betreuen nicht nur rund 2600 Flüchtlinge, sondern auch Altenheime, Behindertenheime, Familienhäuser, Treffs und Beratungszentren für Alleinerziehende, sozialpädagogische und psychologische Dienste, Werkstätten, ein Frauencafé, Einrichtungen für Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Außerdem bieten sie mobile Pflegedienste an. All das wäre ohne die Ehrenamtlichen so nicht möglich. Was ist bisher vermisse, ist ein vergleichbares Engagement muslimischer Moscheevereine und Gemeinden, zumindest für die zahlreichen muslimischen Flüchtlinge. Vor allem die DITIB-Vereine gefallen sich lieber in politischer Agitation und beteilgen sich bisher wenig an der Gemeinschaftsaufgabe Integration.

Sonntag, 4. März 2018

Im Sturm der Gefühle

Lear, Kent und der Narr im Sturm
 Gestern sah ich im Staatstheater Stuttgart "König Lear" von Shakespeare in der Regie von Claus Peymann: Autoren-oder Erzähltheater vom Feinsten im Gegensatz zum Regietheater oder Mitmach-Theater. Dem Erzähltheater haftet immer so ein altmodischer Geruch an, Regie-Theater ist "in". Doch Peymann holt das Beste aus den Schauspielern heraus, was man von anderen Spielformen nicht unbedingt sagen kann. Sein Lear ist ein aktuelles Beispiel für Rücktritts-Probleme seit Kohl und Merkel, aber auch einfach großes Gefühls-Theater. Lear hat einen sprunghaften, mehrschichtigen Charakter, und ist nicht nur der grobe Polterer, der seine Lieblingstochter vertößt, weil sie nicht schmeicheln kann. Er liebt sie auch wirklich und leidet wie ein Hund unter seiner eigenen Fehlentscheidung, er zeigt zugleich Stärke und Schwäche, kann sich schämen und ist fähig zur Reue. Wie dieser Lear (großartig gespielt von Martin Schwab) von seinen beiden anderen (höchst undankbaren) Töchtern im Gewittersturm vor die Tür gesetzt wird und als armer, alter, schwacher, langsam irre werdender Mann durch die Nacht irrt, das ist ein starkes, zeitlos starkes Bild. Einzig und ausgerechnet der treue Diener Kent, den er ebenfalls gefeuert hat, weil er es wagte, die Verstoßung seiner Lieblingstochter Cordelia zu kritisieren, und diese Tochter als Hofnarr begleiten ihn. Lea Ruckpaul verkörpert diese Doppelrolle mit viel Gefühl, Ausdruckskraft, Wandlungsfähigkeit, Witz und Melancholie, dass sie zu Recht vom Publikum gefeiert wurde - ebenso wie Martin Schwab, dessen Rolle manche Kritiker nicht verstanden haben, die einen eindimensionalem Herrenmenschen in Lear sehen. 
Frenetischer Schluss-Applaus bei Peymanns "Lear"


Nicht zuletzt dank des intriganten Edmund, des unehelichen Sohnes von Lears Faktotum Gloster, sind am Ende fast alle tot - sie bringen sich um Streit um Lears Erbe gegenseitig um, aber höchst unterhaltsam und lehrreich. Cordelia wird im Kerker ermordet, nachdem sie ihrem Vater verziehen hat. Lear erleidet darüber einen tödlichen Herzinfarkt. Dieses Drama zieht seinen Reiz aber nicht aus dem Blutrausch, sondern aus der Spannung zwischen Komödie und Tragödie. Ein Depri-Stück ist es deswegen noch lange nicht. Dafür sorgt schon ein Schauspieler-Ensemble, das der Altmeister Peymann klug führte und das durch die Bank alles gab, um einen großen Theaterabend zu bieten. Kein Schnickschnack, kein verstümmelter Text, kein Regisseur, der seine Ideen über das Stück stellt. Peymann zeigte sich nicht eitel, sondern mit seinen 80 Jahren erfahren und groß genug, um Shakespeare einfach Shakespeare sein zu lassen. Das ist nämlich immer noch ein Hammer. Bravo!