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Montag, 6. November 2017

Ein Zornausbruch gegen Rechtes Wutgerede

ISBN 978-3-99039-115-0
Gebunden mit Lesebändchen
168 Seiten,€ 15,– A/D, CHF 21

Der ausgezeichnete Pressetext: Am Beginn des neuen Essays von Rainer Juriatti steht Bedrückung: »Bedrückend die Idiotie mancher Kandidaten, die sich der Präsidentenwahl 2016 stellten.« Als man im Süden Österreichs begann, sich Waffen zu besorgen, begann Juriatti zu schreiben. Im Kern des Essays steht der Monolog eines Delinquenten, der eine Frage beantwortet: Was geschieht, wenn rechtspopulistische Parteien sich durchsetzen? Es begegnen uns altbekannte Fratzen, die zumeist rechte Propagandamaschinen leiten. Sie kennen rhetorisch kein Erbarmen, andere Parteien werden als „linke Gesinnungsstasi“ und „Freudomarxisten“ bezeichnet. Ihr Ziel ist eine grundlegende Neuordnung der Gesellschaft, damit rechtfertigen sie jegliche Form des Übergriffs. Zugleich geraten international Krisenherde in Bewegung, und das hilft rechtspopulistischen Gruppierungen in vielen europäischen Ländern – Gruppierungen, die sich gegen das herrschende System richten und Nationen fordern, die ihre Bevölkerungen vor Migranten, vor allem aber vor dem Islam beschützen sollen.
Meine Erfahrung als Leser: Im Grunde ist der vorangestellte Essay eine Art Feigenblatt - wohl auf Wunsch des Innsbrucker Verlegers entstanden. Das zeigt schon die trockerne, eher lustlos wirkende, bürokratische Sprache. Eine Pflichtübung, die das Nachfolgende erklären soll, es aber nicht wirklich tut. Der inkriminierte und diskutierte Text "eines Wiener Lokalpolitikers" wird so wenig klar benannt wie der Urheber, das hat wohl juristische Gründe. Hier spricht daher leider nicht Rainer Juriatti (geboren 1964) aus Bludenz, zuletzt wohnhaft in Graz und Wien, ein Autor von durchaus kafkaeskem Format.
Dieses sprachliche Format erschlägt mich als Leser dann mit umso größerer Wucht in dem anschließenden Theatermonolog. Das heißt, genau genommen ist es ein Trialog für einen Schauspieler: Der Politiker, eine Lautsprecher-Stimme aus dem Off und der Delinquent sind drei und könnten auch dramaturgisch durchaus drei sein. Warum also "Monolog"? Aus Personalmangel?
Im Übrigen gibt es nichts zu bemängeln an diesem im Gegensatz zum vorangsetellten Essay sehr literarischen Text. Selbst die ausgiebigen Regieanweisungen dienen der präzisen Zeichnung der Figuren, die eben sehr unterschiedlich sind: arrogantes Arschloch als ideologischer Brandstifter, kalt und brutal ausführendes Organ ("Es ist unsere Pflcht, Sie letztmalig zu fragen, ob Sie noch etwas zu sagen haben, bevor wir fortfahren"), und das wehrlose Opfer mit autobiographischen Zügen, das vor dem Erschießungskommando steht und nichts mehr zu verlieren hat.
Das Ganze macht unmissverständlich klar, was hätte kommen können, wenn 2016 die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten anders ausgegangen wäre: eine Dystopie, eine negative Zukunftsvision, die gleichwohl ohne konkretes Gemetzel auskommt und sich mit szenischen Andeutungen begnügt. Umso mehr bleibt Raum für die Phantasie des Lesers oder Publikums, sich das Fehlende auszumalen. Das ist nun aber, typisch Jutiatti, ein rein verbales Schlachtfest. Da gab es zwar Steilvorlagen in Form tatsächlich verwendeter Begriffe, die der Autor gekonnt aufspießt, beantwortet und in dramatischer Klimax einsetzt, aber eben keine Aktion außer sechs kleinen roten Laserpunkten, die zwischendurch immer mal wieder auf das Herz des Delinquenten zielen.
Es ist die Macht der Wörter, die mich beim Lesen durch und durch zum Frieden gebracht hat. Alles ist ja noch einmal gut gegangen, doch die Rechtsradikalen sind nach wie vor da und werden keine Ruhe geben. Niemals und nirgends. Da können wir sicher sein. Ein großer Text, der mit tödlicher Konsequenz Anfänge in Form verbaler Entgleisungen zu Ende bringt. Ein Text, der Pflichtlektüre an den Schulen werden sollte.




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