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Mittwoch, 16. August 2017

Sanfte Dekadenz mit Humor

Tecia Werbowski: Oblomowa. Roman. Aus dem Polnischen von Barbara Schaefer. Atlantik bei Hoffmann und Campe Hamburg, 85 S., 10 €

"Der Schmerz im Leben der Frauen ist wie eine Katze, die ihnen um die Beine streicht, wenn sie die Wäsche bügeln, die Betten machen, die Fenster öffnen oder einen Apfel schälen." Dieses Zitat von Christian Bobin aus "Ein kleines Festtagskleid" ist diesem netten Romänchen vorangestellt, wie um die Titelgrafik zu erklären. Es ist aber aus zwei Gründen so unrealistisch wie der ganze Text: Die Autorin ist keine junge Frau, sondern eine gestandene polnische Übersetzerin Jahrgang 1941, die seit 1968 in Kanada lebt. Zudem wirkt das feministisch klingende Motto des Büchleins extrem deplatziert, wenn man an den Titel und die Figur Oblomows denkt, den sympathisch-apathischen Faulpelz aus dem gleichnamigen Roman von Iwan Gontscharow. An den lehnt sich die ich-Erzählerin Maya mindestens ebenso an wie an die Rücklehne von Bett und Rollstuhl (der ihrem verstorbenen Mann gehörte). Sie ist keine Feministin, sondern eine liebenswerte Schmarotzerin, die niemals Wäsche gebügelt oder Betten gemacht hat - jedenfalls nicht für eine Familie und Kinder, die nie wollte. Sie hält die Tatsache, dass sie vollkommen allein auf der Welt ist, jedoch nicht für ein trauriges Schicksal, sondern für "ziemlich originell".
Geboren als Waisenkind, hat Maya einen reichen, weit älteren Mann geheiratet und lebt in Erwartung einer riesigen Erbschaft nach dessen Tod in den Tag hinein. Am liebsten sind ihr Tage, die sie im Bett verbringt. Den engsten gesellschaftlichen Umgang pflegt sie mit ihren Katzen Minou und Professor Blum oder allenfals dem Briefträger, der im Winter auch Lebensmittel für sie einkauft. So muss sie kaum aus dem Haus. Und auch daheim bewegt sie sich meistens im Rollstuhl ihres Exgatten, obwohl sie kerngesund ist. Diesen Zustand hat der Verstorbene bei aller Liebe wohl vorhergesehen: Er machte die Erbschaft davon abhängig, dass sie seinen letzten Wunsch erfüllt und ihr Nichtstun beendet.
So sieht es aber bis zum Schluss nicht aus, zumal ihre monatliche Apanage ausreicht. Wozu auch diese Eile und Hetze, diese ständige Hysterie, irgendwas zu verpassen? "Ich verstehe wirklich nicht, weshalb die Menschen sich so beeilen, wohin es sie treibt. Da doch jeder Tag sie ihrem Tod näher bringt." Ihre Mitmenschen findet Maya durch die Bank sterbenlangweilig oder lästig. Konsequent bereitet sie ihren Selbstmord mit Champagner und Schlaftabletten vor, regelt ihre Angelegenheiten, vermacht ihre Ersparnisse dem Tierheim und lässt monatelang einen Brief ungeöffnet liegen. Bis der Absender - da hat sie bereits den Champagner geöffnet und die Tabletten bereitgelegt, eines Tages klingelt und in persona vor der Haustür steht...

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