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Montag, 10. Juli 2017

Nur Kopf, Herz und Hände: Menahem Pressler in Ludwigsburg

Menahem Pressler (Foto: Lutz Sternstein)

Ein Charakterkopf, der auf einem Herzen sitzt und mit den Händen in den Tasten eines Steinway-Flügels greift: So hätte wohl ein Karikaturist den Auftritt von Menahem Pressler bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen am 7. Juli gezeichnet. Etwas anderes als Herz, Kopf und Hände war im Ordenssaal des Residenzschlosses nicht zu sehen. Zu hören aber waren Georg Friedrich Händel mit der Chaconne G-Dur, die ursprünglich für Cembalo ersonnen wurde, einer dazu passenden Fantasie c-Moll und der dazugehörigen Klaviersonate Nr. 14 c-Moll, einigen Mazurken vin Frédéric Chopin und viel, viel Claude Debussy. Aus dessen Erstem Buch der Präludien, das  vermutlich ganze Generationen von Barpianisten inspiriert hat, spielte der 94jährige bei tropischen Temperaturen im nicht klimatisierbaren Ordenssaal mit einer geradezu gespenstischen Unermüdlichkeit. Der gewaltige Beifall, die stehenden Ovationen schon beim ersten Betreten des Saales und erst Recht beim Abschied, galten auch der schieren Willenskraft eines Künstlers, dessen Spiel wie seine Gestalt vom Alter gezeichnet und doch unbeugsam erschien. Und die Verehrung galt der Lebensleistung eines Mannes, der in Magdeburg geboren wurde, 1933 als Jude das Gymnasium verlassen musste, 1938 mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten floh und 1939 nach Israel kam. 1940 wurde er in die USA eingeladen und gewann den begehrten Debussy-Pianowettbewerb in San Francisco. So gesehen schließt sich ein großer Kreis mit Debussy. Pressler wurde US-Bürger und machte als Pianist eine Weltkarriere. Er spielte als Gründer des Beux Arts Trio 50 Jahre lang Kammermusik und als Solist  mit allen großen Orchestern rund um den Globus - seit 1956 auch in Deutschland. 2012 erhielt er wieder die deutsche Staatsbürgerschaft, 2015 wurde er für sein Lebenswerk mit dem ECHO-Klassikpreis ausgezeichnet.


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