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Samstag, 25. Februar 2017

Ludswigsburger Schlossfestspiele: Schöne Aussichten

PK im Palais Grävenitz - immer eine stimmungsvolle Sache
Nein, er singt nicht: Thomas Wördehoff liebt aber das Erzählen. Und bei der traditionellen Programm-Pressekonferenz der Ludigsburger Schlossfestspiele konnte der Intendant wieder aus dem Vollen schöpfen: 50 Veranstaltungen allein in Ludwigsburg und noch mal 13 im Umland stehen in diesem Jahr unter dem Motiv "Die Farben der Freiheit". Das ist zwar mengenmäßig weniger als in den Vorjahren - schließlich wird alles teurer, aber die Förderung ist seit zehn Jahren nicht gestiegen. Aber die Qualität hat´s in sich. Mit Leidenschaft und guten Beziehungen zu Künstlern hat der unermüdliche Festival-Macher und Erneuerer ein Programm zusammengestellt, das edle Symphonik, feinen Jazz, Blues und Folklore aus Afrika und Norwegen klug mit Kammermusik und Piano-Virtuosen wie Igor Levit, Khatia Buniatishvili und dem 95jährigen Menahem Pressler mit Theater ("Haydns Schöpfung" von Fura dels Baus) oder Tanz mit Alain Platel kreuzt.
Wo anfangen und wo aufhören, um allen und allem gerecht zu werden? Es wird politisch wie oft schon, aber keine Arie gegen Trump, Putin, Assad oder Erdogan und erst Recht kein Wahlkampfprogramm pro oder contra Europa. Doch schon das Eröffnungskonzert am 4. Mai mit dem großen Cellokonzert Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch (Solist: Gautier Capucon) und der nachgeholten Lemminkänen-Suite von Jean Sibelius (voriges Jahr wegen ein er Bombendrohung abgebrochen) ist eine Botschaft: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Die Eröffnungsrede hält der Philosoph und Historiker Philipp Blom über die Freiheit und ihre Einschränkungen in den nächsten 100 Jahren. Hoch interessant dürfte auch die Lesung von Bundestagspräsident Nobert Lammert am 16. Juli im Schlosstheater werden: Texte von Friedrich Schiller und Hans Magnus Enzensberger zum Thema "Welt aus den Fugen" in Kontrast zu Berichten über den Kampf um Aleppo.
Ein kleines Schwerpunkt-Thema ist das Konzert "American Dreams" am 29. Juni. Da feiert Chefdirigent Pietari Inkinen mit dem gereiften Festivalorchester die Freiheit, an der sich Leonard Bernstein, George Gershwin und Sergej Rachmaninow in den USA mit ihren Kompositionen freuten. Sogar die "Wagner-Gala" im Abschlusskonzert des Festivalorchesters unter Inkinens Leitung mit der Sopranistin Christine Goerke und dem Tenor Simon O´Neill, die Auszüge aus "Siegfried" und der "Götterdämmerung" interpretieren, ist Ausdruck dieser Sehnsucht nach Freiheit.
Ob US-Präsident Donald Trump Klassik hört, Jazz von der Norwegerin Solveig Slettahjell, der Stuttgarterin Olivia Trummer ("Händel") oder Salif Keita aus Mali, wahlweise armenische Volksmusik mit Jordi Savall? Das sind alles sehr freiheitsliebende und grenzüberschreitende Strömungen der Musik - also "Farben der Freiheit", an denen sich die USA bedient hat, um sich dann mit Hillibilly-Songs, Gospel, Mississippi-Blues und Jazz zu revanchieren. Die Cellistin Rebecca Carrington etwa und der Sänger Colin Brown machen im Ludwigsburger SCALA Theater am 19. Mai mit dem Swonderful Orchestra musikalisches Kabarett vom Feinsten.
SCALA-Chef Edgar Lichter
Das SACALA eröffnet übrigens zu Spielzeitbeginn im Foyer eine sehenswerte Ausstellung über die Stiftung Welt-Ethos, die der Tübinger Theologe Hans Küng gegründet hat. Als Special Guest von Thomas Wördehoff erläuterte SCALA-Geschäftsführer Edgar Lichter der Presse die Hintergründe der Partnerschaft, die ihn und die Schlossfestspiele als Programm-Macher mit diesm Lieferanten moralischer Haltung verbindet.
Kunst, Musik, Literatur, Tanz und Theater waren schon immer Ausdruck für die Sehnsucht nach Freiheit oder die Freude darüber. Das es in Ludwigsburg gelingt, die Schlossfestspiele immer wieder neu zu erfinden, liegt auch an der stetig weiter wachsenden Vernetzung der Kulturschaffenden untereinander und in der Region, aber auch mit namhaften Partnern wie der Ruhrtriennale oder dem Wiener Musikverein, um nur zwei von vielen zu nennen. Ach, es wäre des Aufzählens und Rühmens, auch des Erzählens von Anekdoten und Knüpfens überraschender Verbindungen kein Ende - niemals nicht. Das darf aber nicht sein, der Blog muss auf Sendung. Nur so viel hier noch: Das Festival ist eine Orgie lustvoller Kommunikation (oder doch eine Orgie kommunikativer Lust?). Die Begegnungen, die es ermöglicht, sind ein großartiges Stück Freiheit und Lebensqualität in Zeiten  von Dauerstau und Großbaustellen, Fake News und demokratiefeindlichen Tendenzen ringsum. Hier ist die Kultur noch nicht auf Twitter-Format (140 Zeichen) versimpelt und geschrumpft, hier darf´s auch mal ein bisschen länger dauern. Hier darf noch diskutiert werden und ausprobiert, hier werden Gedanken auch mal zu Ende gedacht. Die Freiheit nehm ich mir!






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