Seiten

Sonntag, 5. Mai 2013

Gregorianik beim interreligiösen Chorlabor der Bachakademie Stuttgart


Warm Up mit einem Kinderlied: am Klavier Bernhard König
Sonntag, den 5. Mai 2913: beim Chorlabor der Bachakademie Stuttgart geht es um

Alte und Neue Musik zu Pfingsten

Leitung: Christian Schmid und Bernhard König




In den ersten drei ersten Workshops ging es um Musiktraditionen des Judentums und des Islams. Diesmal folgte das erste Chorlabor mit einem christlichen Schwerpunkt. Unter der Leitung des Domkantors und Dirigenten Christian Schmid (St. Eberhard, Stuttgart) arbeiteten die Teilnehmer an Beispielen für den Gregorianischen Choral, die älteste überlieferte Form christlicher Kirchenmusik. Als Warm Up diente ein interreligiöses Kinderlied, das Bernhard König frisch von der "Tübinger Libretto-Werkstatt" des TRIMUM-Projekts mitgebracht hatte. Eine Hörprobe gibt´s ebenso wie das "Kyrie" aus der Missa de Angelis auf meinem Podcast - noch sind die Schwierigkeitsgrade überschaubar:

 widmar-puhl.podspot.de

Christian Schmid
In Christian Schmid hatte Bernhard Knönig dann einen Fachmann gefunden, der spannend aus der Musikgeschichte erzählen konnte. Dann aber ging es unter seiner Anleitung richtig zur Sache. Nach einigen leichteren Übungen wurde an den Gesängen zur Pfingstmesse nach der Handschrift von St. Gallen gearbeitet- "und das ist richtig schwer", gab der verständnisvolle Lehrer zu. In der Entstehungszeit dieser Musik (600-800 n-Chr.) existierte noch keine richtige Notenschrift, sondern nur eine grobe "Quadratnotation". Daher wurden die behelfsmäßigen Notenpunkte mit zahlreichen "Neumen" versehen - kurzen, oft kryptisch wirkenden Zusatzzeichen über den Notenpunkten, die Angaben zu Längen, Dehnungen, aufsteigenden oder absteigenden Sequenzen etc. darstellen.
Das ist eine Wissenschaft für sich, denn es gilt immer gleichzeitig die Neumen und die eigentlichen Noten im Auge zu behalten. Da heißt es dann: hören, üben, wieder hören und wieder üben, bis man lernt, die Melodie mit den Ohren und die Feinheiten mit dem Auge zu verfolgen. Und als ob das nicht schon genug wäre, hatte auch noch jede Region Europas ihre eigene Schreibweise, ihre eigenen Überlieferungs- und Intonationsdetails. In solchen Unterschieden kann man sich durchaus verlieren - und auch die Übersicht. Verständlich daher das Einigungsstreben der Päpste und Kaiser im Heiligen römischen Reich deutscher Nation - auch wenn die nicht gerade musikalisch aufgefallen sind.

Das Mittelalter war eine Zeit, in der die Entwicklung der christlichen und der islamischen Sakralgesänge aus jüdischen Vorläufern noch deutlich -und hörbar - gemeinsame Wurzeln zeigt. Man kann also das eine kaum ohne das andere denken und singen. In diesem Wissen ging es in die Mittagspause - traditionell schon mit einem Büffet aus christlich, jüdisch und islamisch geprägten Küchen. Die Pause verkürzte sich durch diverse dokumentarische Pflichten erheblich, und so fanden die letzten Interviews schon wieder vor dem Hintergrund einer lebhaften Klangkulisse statt. Immerhin: Der harte Kern der Sänger ist so schnell weder durch einen Wechsel der Sprache noch der Umgebungslautstärke zu erschüttern. Viele haben auch schon Erfahrung mit kulturell gemischten Chören.
Vom Ältesten war der Weg zum Neuesten nicht weit: Gerade das Pfingstfest hat viele zeitgenössische Komponisten dazu inspiriert, nach neuen Klängen und Gesangsformen zu suchen. Der Komponist und Trimum-Projektleiter Bernhard König brach am Nachmittag in das Neuland einer »experimentellen Chormusik«auf .Und wieder war erstaunlich, wie leichtfüßig ihm der Chor dabei folgte. Die Suche nach einer Sakralmusik, die wirklich tauglich ist für den Praxistest in Synagoge, Kirche und Moschee, könnte gerade hier am besten vorankommen.

Keine Kommentare: