Seiten

Samstag, 21. Juli 2012

Rossini in Wildbad - wieder mit Neuheiten

"Adina oder Der Kalif von Bagdad": mit dieser einaktigen Farsa, einer Auftragsarbeit für eine Dame, die Buffo-Opern liebte, hat das Festival mit Regisseur und Bühnenbildner Antonio Petris einen tollenStart hingelegt. Das Werk von 1826 ist eine kleine Oper und bietet nicht ganz die Höhepunkt der großen Rossini-Werke, aber "Adina" ist ideal zum Warmlaufen. Außerdem, so Intendant Jochen Schönleber, erfüllt das Festival damit auch seine "enzyklopädische Aufgabe". Die Geschichte von der Sklavin, die das Begehren ihres Herrn weckt und dann Verwicklungen schafft, weil ihr tot geglaubter Ehemann plötzlich verkleidet auftaucht, löst sich in der schönsten Verständnisinnigkeit auf. Der Orient-Mode der Entstehungszeit ist mancher Blödsinn zu verdanken, aber die Musik entschädugt dafür. Mit Antonio Fogliani stand einer der besten Rossini-Dirigenten am Pult, die Virtuosi Brunenses spielten wie gewohnt temperamentvoll und stilsicher.
Der hervorragende Camerata Bach Chor Posen hat gleich in der ersten Szene einen Auftritt, der das Besondere des Stücks hervorhebt: Sonst sind bei Farsas keine Chöre zu hören, die Aufführungen waren eher kammermusikalisch konzipiert, die Inszenierungen eher dem engeren Rahmen von Privaträumen angepasst. Sehr gut und sehr finster bis patriarchalisch der Kalif Raffaele Facciolà, stabil auch in den tiefen Lagen, klar akzentuiert und ohne das bei Bässen verbreitete Herumrutschen auf den Melodiebögen. Rosita Fiocco empfahl sich als Adina mit einem glockenreinen Sopran, der nie den Eindruck machte, gefordert zu sein. Besonders hervogehoben durch eine im Libretto gar nicht vorgesehene Extra-Arie: Bruno Praticò als Diener Mustafa. Der Parade-Buffo hat in Wildbad schon so oft geglänzt, dass so etwas eigentlich längst mal fällig war. Insgesamt war die Aufführung leicht und süffig wie ein guter Sommerwein, ein großes Vergnügen in einer knappen Stunde netto. Da wäre die Pause eigentlich nicht nötig gewesen - aber es war heiß, und da konnten die Leute noch ein Glas trinken.

Maxim Mironov (Foto: Rossini in Wildbad)

Schade, dass ich persönlich die Aufführung der "Räuber" (I briganti) von Saverio Mercadante nach Schiller nicht erleben konnte. Die Oper wurde seit der Uraufführung nie wieder gespielt, weil sie einfach in der Tenorrolle zu schwer ist. Kaum findet sich ein Tenor mit solchen Höhen, und bisher gar niemand, der vier Stunden in diesen Tonlagen permanente Präsenz zeigt. Jochen Schönleber entdeckte einen, der sich nicht nur traute, sondern auch noch richtig gut war. Maxim Mironow (Hamburg) wird sich künftig vor Angeboten wohl kaum retten können, wenn man der ungewohnt leidenschaftlichen Lobeshymne in der "Stuttgarter Zeitung" glauben darf.

Gespannt war ich auf die konzertante Aufführung "Semiramide" Rossinis größte Oper und zugleich sein Abschied von der italienischen Belcanto-Oper: noch einmal vier Stunden "Schöngesang". Die Platzverhältnisse in Wildbad und auch das Budget geben keine szenische Aufführung her, aber ich freue mich schon jetzt einfach nur auf die Musik. Die bekommt auf diese Weise alle Konzentration und Aufmerksamkeit, die sie verdient. Die Premiere am vorigen Donnerstag erhielt ausgezeichnete Kritiken, und der Regen hatte sich tatsächlich auch verzogen.
Abgesehen von einzelnen Längen (vor allem im zweiten Akt) war das wieder mal richtig schön". Vor allem die Duette und Terzette und Ensembles. Ich liebe halt hemmungslos das Mehrstimmige. Und Bass-Arien sollte man bis auf wenige Ausnahmen auch bei Rossini streichen. Das geht fast nie gut, auch die guten Sänger rutschen meistens auf den tiefen Tönen unkontrolliert rum wie Kinder im Go-Cart. Oder wie ein Hobby-Santa-Claus: Ho-Hoooo!

Keine Kommentare: