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Montag, 16. Mai 2011

Aufregende Zeiten und tägliches Allerlei

Fukushima ist eine mehrfache Kernschmelze geworden, die Regierung Mappus wurde abgewählt und der neue Ministerpräsident Baden-Württembergs heißt Winfried Kretschmann ("historisch": der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands). Der erfolgreichen Revolution in Tunesien und Ägypten folgten Gaddafis Massaker in Misrata und ein alptraumhaftes Menuett der Mörder in Syrien und im Jemen (die Mullahs im Iran wollen wir nicht vergessen), die Ermordung von Osama Bin Laden durch ein Killerkommando der US-Army und ein Szenario von Missernten, Erdbeben, Stürmen und Teuerung, das an die Apokalypse des Johannes denken lässt. Aber heute hat es nach wochenlanger Dürre im Land geregnet, und ich lebe weiter mein kleines Leben in interessanten Zeiten.
Obwohl der Sprit für mich als Pendler seit Jahresbeginn um 50 % teurer geworden ist, die Heizung 30 % und das Essen 25 %, zerbricht sich mein öffentlich-rechtlicher Sender den Kopf darüber, ob eine Erhöhung der Honorare um 2,5 % bei gleich hoher allgemeiner Inflationsrate zu verantworten sei. Bei gleichbleibender sozialer Verantwortungslosigkeit wird es in diesem Land schon vor dem nächsten Winter Streiks geben, wie sie unsere politische Kaste bisher nur aus Griechenland oder Argentinien kennt.
Derweil schreibe ich in drei Tagen pro Woche jeweils meine Drei-Minuten-Hörspielkolumne mit Kulturtipps bzw. Veranstaltungshinweisen im SWR2-Sendegebiet. Derweil kämpfe ich gegen Krankheit und Depressionen in der Familie, unfähige Ärzte und Sozialarbeiter, Schlaflosigkeit und Erschöpfung. Ab und zu gelingt mir ein "Zeitwort" oder eine Rezension im Sender, aber größere Projekte ziehen sich endlos hin und werden immer langsamer fertig, während sich neue Ideen stauen, das Konto nicht aus den Miesen kommt, das Finanzamt uns ärgert und der Steuerberater sich Zeit lässt, sobald eine Erstattung winkt, die uns entlasten könnte. Dabei gab es schon zwei Feature-Wiederholungen in diesem Jahr - ein Rekord! Das Geld hat leider die Heizung gefressen.
Ich mache mir und einem allfälligen Leser nichts vor: Auch hier muss mal gesagt werden, dass der schöne Schein vom Leben eines Kulturarbeiters gewaltig trügt. Ok, ich komme mit Kunst in Berührung und freue mich auch daran, aber mich belastet es zu sehen, dass mein neuer Gebrauchtwagen, der überfällige Laptop, die Reise nach Wien zum 70. Geburtstag meiner kranken Frau und die Auffüllung des Heizöltanks nur möglich waren, weil meine Liebste ihre Lebensversicherung plündert. Ich grüße also als Don Quijote mit huldvoller Geste von meiner Rosinante und denke dabei an den chinesischen Fluch: "Mögest Du in interessanten Zeiten leben!" So, jetzt muss ich eine Rezension schreiben!

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