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Montag, 25. Juni 2007

Priester der Zeit

Poesie von Fuad Rifka:
"Die Reihe der Tage ein einziger Tag"


Fuad Rifka zu besuchen war der einzige lohnende Teil meiner Berlin-Reise vom 20.-22. Juni. Unterwegs und in langweiligen Sitzungen des Verbandes Deutscher Medozinjournalisten (dem leider mein KDM-Kollegium der M., sich anzuschließen verirrte) las ich zwei Bücher: Essay von José F.A. Oliver und Gedichte von Fuad - in einer wunderschönen zweisprachigen, arabisch-deutschen Ausgabe des Verlags Hans Schiler (SSBN 3-89930-147-1).


Er ist der einzige Araber, der systematisch deutsche Lyrik übersetzt, er ist Professor für Philosophie und liebt Deutschland, weil er in Tübingen studiert hat. Ich habe Fuad schon öfter im Stuttgarter Schriftstellerhaus getroffen und über ihn geschrieben. Jetzt sitzt er in seinem "kleinen Paradies" - 10 Monate Stipendium als Senior Fellow im Wissenschaftskolleg Berlin.

Was soll er auch in Beirut, außer seine Tochter und die Enkel sehen? Die Stadt versinkt seit Jahrzehnten periodisch immer wieder im Chaos, seine Jahre neigen sich dem Ende zu, und er will noch so viel schreiben und organisieren. Fuad wurde christlich erzogen und ist Araber. Er arbeitet an der Amerikanischen Universität des Libanon und liebt Poesie. Er ist, sucht und atmet FRIEDEN in allen Schattierungen des Begriffs.

Foto: www.juergen-bauer.com

Fuad Rifka ist Grenzgänger (1930 in Syrien geboren; heute gehört sein Dorf zum Libanon, morgen kann es umgekehrt sein. Er schreibt arabisch und deutsch, schimpft über George W. Bush, hat über die Ästhetik bei Heidegger promoviert. Reicht das?). Und er fühlt, wie die Poesie ihm als einziges treu bleibt - also bleibt auch er dabei. Auch wenn das erste Gedicht seines neuen Bandes mit den Zeilen beginnt:

"Die Zeit -
eine Erinnerung im Nebelschleier
ein Dämmerlicht den Augen
ein Pfeifen in den Ohren
die Heiserkeit in der Stimme
ein Zittern der Worte
das Knacken der Gelenke ..."

Fuad Rifka trotzt der Zeit durch seine Verse, die sie überleben werden. Er trotzt den organisierten Religionen durch seinen überreligiösen Glauben an die Dichtung. Er ist ein Priester der Zeit, weil er sich als Poet die Zeit untertan gemacht hat. Und er ist ein Freund, wie es nur wenige gibt. Wer mehr über Fuad Rifka wissen möchte, höre meine Podcasts "Dichtertreffen" oder bestelle die CD meiner SWR2-Sendung "Ein arabischer Hölderlin".

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