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Donnerstag, 14. Juni 2007

Christlicher Hassprediger

SWR 2 Buchkritik (Sachbuch)
Udo Ulfkotte:
“Heiliger Krieg in Europa. Wie die radikale Muslimbruderschaft unsere Gesellschaft bedroht“
© Widmar Puhl (4´30)

Ein kritisches Buch über die radikale Muslimbruderschaft und ihre umtriebigen Ableger in Europa wäre eine gute Sache. Was Ex-FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte unter dem Titel „Heiliger Krieg in Europa. Wie die radikale Muslimbruderschaft unsere Gesellschaft bedroht“ vorlegt, ist aber eher ein Pamphlet gegen den Untergang des Abendlandes. Im Internet kündigt Ulfkotte, der heute Spionage- und Terrorabwehr an der Universität Lüneburg unterrichtet und sich als „Security-Manager“ anpreist, die Gründung einer Partei für die christlich-jüdischen Werte Europas an. Schon 2003 brachte ihm sein Buch „Der Krieg in unseren Städten“ eine Kritik in der „taz“ mit dem hämischen Titel „Der Hofnarr der Geheimdienste“ ein.
Autor und Verlag brüsten sich der engen Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Geheimdiensten, darunter Mossad und CIA. Prompt kam es aus Kreisen der Muslimbrüder zu Drohungen und zwei Dutzend Prozessen – eine bewährte Zermürbungstaktik gegenüber Kritikern. Der Verlag gewann jedes Mal, aber „auch gewonnene Prozesse kosten Zeit, Nerven und Geld.“ Anscheinend hat der Autor jetzt beschlossen, nicht mehr mit diesen Leuten zu reden, sondern nur noch über sie. Er konzentriert sich darauf, das Wissen Dritter auszuwerten, vor allem der Geheimdienste. Und dieses Wissen ist so geheim, dass sich davon vieles nicht überprüfen lässt. Von journalistischer Unabhängigkeit zeugt das nicht gerade.

Darüber hinaus referiert Ulfkotte bekannte Tatsachen. Fleißkärtchen gibt es für das Sammeln von Beispielen für Selbstzensur nach der künstlichen Welle internationaler Proteste im so genannten „Karikaturenstreit“. Spannend ist die Geschichte von Hassan al-Banna, dem ägyptischen Gründer der Muslimbruderschaft, und die seiner Anhänger, die überall in Europa islamistische Vereine gründen. Hoch interessant: Die Kapitel über die Strukturen dieser undemokratischen Parallelgesellschaften, ihre Finanzierung mit Steuergeld und die religiöse Verbrämung von Besitzansprüchen.
Wenn Ulfkotte aber schreibt, die Muslimbrüder hätten längst die Deutungshoheit über den Islam übernommen, ist das einfach Unsinn. Ebenso gut könnte man behaupten, die Scientologen hätten die Deutungshoheit über das Christentum. Und das Szenario, Europa werde allein deshalb bald islamisch, weil wir keine Kinder kriegen und Muslimfrauen ganz viele, ist blanke Hysterie. Blinder Glaube an die heilige Demoskopie ist gefährlich, gerade weil Fanatiker sie für ihre Prognosen rhetorisch nutzen. Es will eben nicht jeder Muslim den Gottesstaat, und der Koran verlangt ihn auch nicht.
Vom Schächten über das Kopftuch bis hin zu Speisevorschriften, Polygamie und dem, was eigentlich „Scharia“ bedeutet, also eine Justiz auf der Grundlage des Korans, sind die Muslime seit jeher tief gespalten. Das gilt gerade für die so genannten „Sonderrechte“, die altmodische Muslime für sich beanspruchen. Was der Zentralrat der Muslime in Deutschland sagt, hat nichts mit der Meinung der Mehrheit zu tun. Das alles verschweigt Ulfkotte. Im Gegenteil: weil sie in seine Verschwörungstheorie von der Unterwanderung Europas passen, stellt er sogar so groteske Aussagen von Extremisten als islamisch dar wie die, Gläubige dürften nicht Fußball spielen.
Leider kann man nicht einfach sagen, sein Buch sei nur schlecht. Schön wär´s. Vielmehr ist es eine üble Mischung aus interessanten Daten und Fakten sowie deren Verzerrung durch die Brille des Hasses, aus richtigen Analysen und falschen Schlussfolgerungen. Das merkt man – wie beim SPIEGEL – oft erst, wenn man sich bei einem Thema, das er behandelt, wirklich gut auskennt. So ging es mir mit dem scheinheiligen Kapitel „Unser arabisches Erbe“, wo der Autor auf gerade mal zweieinhalb Seiten sehr, sehr lückenhaft aufzählt, was die abendländische Wissenschaft, Gastronomie, Medizin, Architektur und Wasserwirtschaft den Arabern verdankt.
Der Autor hat zwölf Jahre in islamischen Ländern gelebt, hat viel gesehen und zitiert eine Menge Fachliteratur. Deshalb ist es sicher keine Unwissenheit, sondern unlautere Absicht, wenn er ständig die Begriffe „Araber“ und „Muslime“ oder “Islam“ und „Islamismus“ verwechselt. Bei mir kommt das Buch daher nicht ins offene Regal mit Aufklärungsliteratur, sondern in die Giftküche für Spezialisten. [Dort stehen auch einst verbotene Bücher über Hexen, Freimaurer und christliche Sekten.] Man braucht kein Jurist zu sein, um den Eindruck zu bekommen: An manchen Punkten erfüllt dieses Buch durchaus den Straftatbestand der Volksverhetzung.

Udo Ulfkotte: „Heiliger Krieg in Europa. Wie die radikale Muslimbruderschaft unsere Gesellschaft bedroht“.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M., 303 Seiten, 19,90 €.

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